Donnerstag, 3. Januar 2019

Koran-Sure 4, Vers 34; DieZeit Artikel aus der Ausgabe vom 03.01; ein Kommentar


Koran-Sure 4, Vers 34; DieZeit Artikel aus der Ausgabe vom 03.01; ein Kommentar


Ich bin keine gelassene Person, noch nie gewesen. Also wäre es vermutlich gelogen, zu sagen, mich hat noch nie etwas so aufgeregt wie der Artikel, um den es geht, aber ich kann zumindest eines sagen: Mir war noch nie so klar, wie tiefgreifend die rassistische Ideologie ist, vor allem in ‚liberalen‘ Kreisen. 

Der Artikel soll sich ‚neutral‘ mit dem Vers 34 aus der Koran-Sure 4 auseinander setzen.  (Die berüchtigte Koran-Sure, die es dem Ehemann erlaubt, seine Ehefrau zu schlagen) Angeblich. Es geht im Artikel aber tatsächlich, und wie sollte es auch anders sein, um Gewalt an muslimischen Frauen durch ausschließlich muslimische Männer.

Zu diesem Thema möchte ich kurz etwas sagen: Mir ist bewusst, das es in der muslimischen Community Probleme mit Gewalt (vor allem an Frauen und Kindern) gibt. Ich kenne das Mindset, das dahinter steht. Ich kenne die Strukturen, die die Wiederholung dieser Taten ermöglichen. Und ich erkenne diese Problematik. Ich erkenne auch die Schuld, die bei der Mentalität liegt, aber auch, und das vergessen Journalist*innen wie die der Zeit sehr gerne, die Schuld, die die Mehrheitsbevölkerung und die rassistischen Strukturen unserer Gesellschaft tragen. Dazu später mehr. 


Das erste was ich immer wieder faszinierend finde, ist, dass Redaktionen von Magazinen und Zeitungen (wie die Zeit) immer wieder darauf bestehen, Themen wie diese, ungeeigneten Journalisten zuzuteilen. Auf der Seite 14 steht: „(…) sind auch wir keine Experten. Wir haben nicht Islamwissenschaften studiert und sprechen nicht Arabisch“. Ja tja. Sie klingen auch nicht wie muslimische Frauen. Später auf Seite 16 steht auch, das die Journalisten Probleme hatten Zugang zur Community zu finden. Niemand wollte reden. Tatsächlich kriegen im ganzen Artikel weiße, nicht muslimische Männer und Frauen, mehr als die doppelte Anzahl an Zeilen gewidmet als muslimische Frauen, also die Gruppe, um die es in diesem Artikel angeblich gehen soll.

Die Unfähigkeit der deutschen Presse, muslimische Frauen als vollwertige Menschen darzustellen, die eigenständig agieren und für sich selbst sprechen, ist erbärmlich und reproduziert einfach nur das Bild der unterdrückten nicht-westlichen Frau, die von den bösen, nicht-westlichen Ehemännern misshandelt wird. Übrigens, es sind ja alles muslimischen Frauen verheiratet, ne? ;)

Nein, wieso tatsächlich über die Gruppe berichten, um die es eigentlich geht, wenn man den Artikel auch mit einem Erlebnis von einem deutschen Mann beginnen kann. Der Text erzählt von dem Polizei-Pressesprecher Andreas Loepki und seiner Erfahrung als er eine Pressemitteilung zu der umstrittenen Sure veröffentlichte. Davor wird auf seine Vergangenheit als Polizist und seine super-krassen Erfahrungen eingegangen, und, dass nichtsdestotrotz diese Pressemitteilung natürlich den heftigsten ‚Shitstorm‘ seiner Karriere ausgelöst hat.  Also irgendwie dachten die Journalist*innen der Zeit, das dieser Herr (ich möchte nicht ihn schlecht reden, es geht ja nicht wirklich um ihn - was genau mein Punkt ist) genauso viele Zeilen bekommt wie, ZWEI muslimische Frauen die erst auf Seite 16 erwähnt werden. Dann ist der erste ‚Experte‘, der zitiert wird natürlich Tilman Nagel. Der wird zunächst als Forscher dargestellt und erst nachdem er eine halbe Seite gewidmet bekommt, finden es die Journalist*innen erwähnenswert das Tilman Nagel auch für die AfD arbeitet und mit Thilo Sarrazin sympathisiert. Ich frage mich, wie irgendwer darauf kommt bei einem angeblich neutralen Beitrag über Islam jemanden zu zitieren, der rassistisch ist. Und das natürlich ganz am Anfang vom Artikel und ohne seine Integrität ehrlich anzuzweifeln.

Zwischen Herr Loepki und Herrn Nagel gibt es einen Absatz der mich besonders stutzig gemacht hat. Es ist ein pseudo-reflektierter Einschub darüber, das die Journalist*innen ja wüssten, das sie eine eigene ‚Wirklichkeit‘ kreieren, wenn sich dazu entscheiden über Gewalt an Frauen in muslimischen Gemeinschaften zu reden. Er dient lediglich dazu dem Leser Unsicherheit vorzuheucheln, wenn tatsächlich eine glasklare Positionierung zwischen den Zeilen zu lesen ist. Wenn sie alle wirklich so sehr gehapert hätten, hätten sie den Artikel vielleicht an geeignetere Kolleg*innen weitergegeben. 

Im Koran steht wortwörtlich, zumindest nach den meisten Übersetzungen, das der Ehemann das Recht hat, die Ehefrau zu schlagen. Gut. Aber darum geht es den Autoren dieses Artikels nicht wirklich. Es handelt sich nicht um eine wissenschaftliche Abhandlung eines religiösen Texts sondern inwiefern die Religion heute gelebt wird. Es soll darum gehen, wie muslimische Gemeinschaften heute Leben. Aber der Islam nach wie vor eine Religion ist und keine Ethnie, die sich in verschiedenen Ländern anders entwickelt und nicht einfach zu einer großen Masse zusammengefasst werden kann.  Und ja, diese Sure existiert zwar, aber im 21. Jahrhundert in Deutschland existieren gewichtigere Gründe warum Frauen Opfer häuslicher Gewalt werden. Was auch so gesehen wird, wenn weiß Deutsche ohne Migrationshintergrund Gewalt antun. Denn dann geht man auf folgende Dinge ein: sozialer Status, psychische Gesundheit, Bildungsstand, Kindheitstraumata etc. 
Ich sage nicht, das all diese Dinge Gewalt an Frauen rechtfertigen, versteht mich nicht falsch, aber sie scheinen nur dann absolut keine Rolle zu spielen, wenn wir über ethnische Minderheiten sprechen.


Es gibt Probleme mit Gewalt in den Communities von ethnischen Minderheiten. Nicht nur an Frauen. Aber haben weiß-Deutsche Frauen ohne Migrationshintergrund schon ihre eigenen Geschichte vergessen? Erst 1997 wurde eheliche Vergewaltigung verboten und 1928 (wie auch in dem Zeit Artikel erwähnt) das Züchtigungsrecht des Mannes abgeschafft. Aber was er Artikel nicht erwähnt ist, das Männer in Deutschland nicht eines Morgens aufgewacht sind und gesagt haben: ‚Oh krass, das ist aber Scheiße, was wir bisher gemacht haben. Lass das mal ändern!‘. Sondern, dass sich die Frauen in Deutschland, vernetzt, organisiert und gekämpft haben. Hart gekämpft. Sie haben ihren sozialen Status riskiert, ihre Jobs und ihre Leben und dann gab es Veränderung. Diese Möglichkeit haben Frauen aus ethnischen Minderheiten oft nicht. Die Mehrheitsbevölkerung grenzt sich aus. Ich kann aus Erfahrungen sagen, das ‚feministische‘ Kreise nicht frei sind von Rassismus und Islam-Hass, dass sie durchwachsen sind von Ignoranz. Frauen von ethnischen Minderheiten sind isoliert und stehen im Fall von Gewalt auch meistens allein da und vor allem ohne Perspektive. Mangelnde Integrationshilfen und Offenheit der Mehrheitsbevölkerung liefern diese Frauen schutzlos aus. Aber das ist nicht ihre Schuld und die Weigerung von Presse-Riesen wie der Zeit diese Seite der Medaille aufzuzeigen und stattdessen über eine Seite einem eigentlich unwichtigen weiß-deutschen Mann wie Loepki und einem Rassisten wie Nagel zu überlassen, stellt die Integrität der deutschen Presse nicht in Frage sondern untergräbt sie.



Denn eines haben muslimische Männer, die ihre Frauen schlagen und die ‚liberale‘ deutsche Presse definitiv gemeinsam: Sie haben muslimische Frauen am liebsten wenn sie vor allem eins sind: Stumm.


Hier der Artikel:
https://www.zeit.de/2019/02/islam-koran-unterdrueckung-frauen-gewalt

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