Mittwoch, 5. September 2018

Konzerte sind schön, Antirassismus ist immer noch verdammt schwer

65 ooo Menschen standen gemeinsam gegen Rassismus. Okay. Sind wir ehrlich, die standen nicht da, um gegen Rassismus zu protestieren. Die meisten waren da um KIZ zu feiern. Aber es ist okay. Sie standen gemeinsam. Nach so einer Woche tut jegliche Form von Solidarität gut, oder? 

Ganz ehrlich: Nein. 
Klar, das Konzert war ne geile Idee. Es war großartig. Aber ihr wollt mir doch nicht ernsthaft verklickern, dass es nicht Rassismus ist, geschweige denn Anti-Rassismus, wenn ein Haufen Deutscher Männer, die Diskriminierung und Angst von marginalisierten Menschen für ihre eigenen Promo ausnutzen. Und das haben sie gemacht. Stop kidding yourself. Klar, wenn sie nichts gesagt hätten (so wie die dt. Nationalmannschaft lol) dann wäre es genauso Scheiße, aber es muss halt nicht entweder oder sein. Es gibt endlose POC Künstler, die sich gegen Rassismus einsetzten. Warum sollten Bands wie KIZ oder die Ärzte ihre Namen nicht benutzen, um diesen Menschen - ihr wisst schon: DIE DIE TATSÄCHLICH BETROFFEN SIND - endlich Gehör zu verschaffen. Sie an dem eigenen Privileg teilhaben zu lassen? Natürlich haben sich diese Bands schon immer für den guten Zweck eingesetzt. Aber, versteht ihr denn nicht, das es Rassismus ist sich als nicht Betroffene Person in den Mittelpunkt von Diskriminierung zu stellen.? 

Mich nervt, das die Meisten es nicht richtig machen wollen. Sie wollen es probieren und dafür gelobt werden. A for Effort, u know? Wieso um Himmels Willen, solltet ihr gelobt werden dafür, dass ihr das tut was eigentlich selbstverständlich sein sollte? Wenn wir von B_PoC verlangen, sie sollen DANKBAR sein dafür, dass sich andere bemühen gegen Unmenschlichkeit und Grausamkeit vorzugehen, dann sagen wir eigentlich: 
„Du hast kein bedingungsloses Anrecht auf Menschlichkeit, deswegen sei froh, dass wir es dir trotzdem geben“. Und wenn das kein Rassismus ist, weiß ich auch nicht mehr.

Chemnitz war ein guter Versuch. Aber wir müssen es besser machen. Wir müssen uns mehr anstrengen. Es war ein guter Versuch, aber versuchen reicht nicht. Wenn ihr euch bemüht und jemand Betroffenes kritisiert was ihr tut: Mund halten und zuhören. Hört euch die Kritik an und macht es nochmal und besser. 

Produktiv gegen Rassismus vorzugehen tut weh. Manchmal weiß man gar nicht, wie rassistisch Menschen, die wir lieben sind, bis wir sie darauf ansprechen. Wir glauben, es bleibt bei dem einen Kommentar und denken nicht darüber nach, wie viel eigentlich hinter so einem Kommentar steckt. Und was passiert, wenn die Person B_POC gegenüber sitzt. Jemand der Polenwitze reißt, wird wahrscheinlich auch automatisch seine Handtasche an sich randrücken, wenn eine Person den Bus/ das Wartezimmer etc betritt, den sie als ‚Ausländer‘ einstuft. 

Und dann kommen wir zu einem der am wenigsten verstandenen Dinge überhaupt: 

Verinnerlichte Diskriminierungsstrukturen. 

If you don’t know, now you know: Du bist wahrscheinlich rassistisch, homophob, sexistisch, transmisogyn, klassistisch und was es sonst noch für -ismen gibt. Das ist leider üblich und wahrscheinlich unvermeidlich. Aber das macht es deswegen nicht okay. Deine Mikroaggressionen tun Menschen weh. Konstant, immer und immer wieder. Und solange du sie nicht anerkennst und etwas dagegen tust, bist du Rassist. Aus Ende. Und das ist ziemlich scheiße. Mir fällt auf, bei vielen meiner Diskussionen, dass die meisten Menschen bereits daran scheitern a) zu erkennen, dass sie diese überhaupt besitzen und b) dass sie verdammt nochmal verletzend sind. Und wenn du diese Arbeit an dir selbst nicht leistest, verletzt du Menschen weiterhin, weil du zu faul bist, dich zu ändern.

 Diese Diskussionen mit meinen Freunden/Familie/Bekannten zu führen machen keinen Spaß. Sie sind verletztend und demütigend und 95% der Zeit ‚verlierst‘ du, weil drei Weißdeutsche Jungs ohne MGH sich gegenseitig versichern, dass sie bestimmt nicht rassistisch sind. 

Ein weiterer großer Teil von Anti-Rassismus ist auf der Straße was zu sagen. In öffentlichen Räumen. Manchmal ist es schwerer, manchmal leichter. Wenn im linken Connewitz in Leipzig jemand einen Ausländer anschreit, wirst du oft nicht die einzige sein, die was sagt. Zwei/Drei Stationen weiter Richtung Zentrum, schon eher. (Und viele Leipziger werden jetzt auf das Linkssein der Südvorstadt plädieren, but boy oh boy) Es ist auf jeden Fall scheiße. Es macht dich fertig. Es macht dich traurig. Den Mund aufmachen, um eine Fremde Person vor einen anderen fremden Person kostet dich nicht nur Kraft. Man macht sich auf alle möglichen Art und Weisen verletzlich: Was ist wenn alle anderen auf mich einreden? Was ist wenn die andere Person gar nicht beschützt werden will? Was ist… Was ist… Was ist…? 

Aber rate mal, wer nicht die Wahl hat. Wer sich diese Fragen nicht stellen kann? Welche Person keine Entscheidungsfreiheit hat?

Antirassismus ist hart. Er ist schwer und zermürbend. Er macht traurig und frisst Energie. Wisst ihr warum so viele B_POC ihn sich trotzdem antun? Weil die Alternative schlimmer ist. Und die Alternative sind eure Privilegien. Die, die ihr auf unsere Kosten bekommt. 



Und Schweigen gehört definitiv dazu.

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